30. März 2023

Die WestLotto-Toptalente 2023: Tänzer Christian Weiß im Interview

Sport ist viel mehr als nur Medaillen: Unter diesem Leitgedanken fördern WestLotto und der Landessportbund NRW die „Toptalente des Leistungssports“ in Nordrhein-Westfalen. Bis zu acht Nachwuchstalente aus verschiedensten Sportarten werden jährlich auf ihrem Weg in den Spitzensport unterstützt und stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Tänzer und Toptalent Christian Weiß spricht im Interview über seine Choreographien und den Umgang mit Erfolg.

Der 16-jährige Schüler aus Dinslaken ist ein Ausnahmetalent in seiner Sportart Jazz- und Modern/Contemporary Dance. Seit seinem fünften Lebensjahr tanzt der vierfache Europameister und siebenfache Deutscher Meister, der nebenbei noch als Skilehrer arbeitet. Trotz all dieser Erfolge tritt der Schüler sehr bodenständig und zurückhaltend auf. Das Interview erschien zunächst im Magazin „Wir im Sport“ des Landessportbundes NRW.

Wie bist du zum Jazz und Modern/Contemporary-Tanz gekommen?

Ich war als Kind, wie meine Eltern immer gesagt haben, ein sehr rhythmisches Kind. Deshalb ist meine Mutter mit mir in einen Kindertanzkurs gegangen. Das fand ich nicht so cool, da es mehr oder weniger nur ein Rumgehopse war – das hat mir einfach nicht gefallen. Dann bin ich mit zwei Kindergartenfreundinnen in den Tanzsportclub gefahren, wo ich heute immer noch bin, und das hat mir so gut gefallen, da bin ich dort geblieben.

Welche Regeln gibt es denn beim Tanzen? Und was ist zu beachten?

An sich gibt es keine Regeln. Es ist ein sehr offenes und kreatives Umfeld und man darf viel machen. Sonst gibt es nur Regelungen in Bezug auf den Turniersport. Das heißt, wir haben eine Begrenzung an Zeit, die wir tanzen im Solo. Das Minimum ist 1:45 min und ein Maximum von 2:15 min. Dann gibt es auch noch die TSO – die Tanzsportverordnung – dort ist beispielsweise geregelt, was wir anziehen dürfen. Kinder und Jugendliche dürfen nicht in sehr knappen Sachen auftreten, das ist relativ gleich. Bei den Erwachsenen sind die Kleidervorschriften etwas lockerer, jedoch ist das International wieder ganz anders. Da war es in den vergangenen Jahren sehr locker, doch dieses Jahr gab es sehr viele „Warnings“. Das heißt, die Wertungsrichter sagen: „Das Outfit geht so nicht. Das muss geändert werden.“

Überlegst du dir deine Choreografien und Geschichten selbst?

Meine letzte Choreografie in Modern habe ich selbst gemacht. Ich habe bereits für andere Formationen und Solos Choreografien gemacht und gebe gelegentlich auch Workshops, wo ich kleine Kombinationen lehre. In den vergangenen Jahren haben wir immer Choreografen eingeladen, das sind dann externe Leute. Die werden zum Teil auch international eingeflogen und natürlich von uns bezahlt, damit sie uns eine Choreografie machen, uns coachen und vorbereiten.

Wie gehst du vor, wenn du dir deine Choreo überlegst? Gibt es da ein Schema?

Es gäbe ein Schema, ich lerne das gerade auch noch, aber an dieses Schema halte ich mich nicht. Das ist alles theoretisch, wie man das machen sollte. Bei mir ist das meistens so, dass die Ideen einfach kommen. Meistens kommen sie in den unpassendsten Momenten: etwa abends, wenn ich etwas im Fernsehen schaue, dann kommt eine Idee und ich fange einfach an. Oder ich höre ein Musikstück und habe direkt Ideen für Bewegungen. Manchmal gibt es Phasen, in denen ich schwer vorankomme, weil ich nicht im Flow bin. Gleichzeitig gibt es Phasen, da stelle ich mich hin und mir kommen viele Ideen und innerhalb einer Stunde habe ich eine 2:15 min Choreografie fertig.

Du bist schon recht lange sehr erfolgreich – wie gehst du damit um?

Ich hänge das nicht so an die große Glocke. Wenn ich auf den Turnieren erfolgreich bin, habe ich das auch gerne für mich. Ich gehe, beispielsweise in der Schule, nicht herum und verhalten mich nach dem Motto „Jo ich bin Weltmeister, ich bin besser als ihr“ – das ist einfach nicht meins. Ich habe gerne die Sache einfach für mich und genieße das. Mein Instagram-Profil ist deswegen auch nicht so auffällig wie das von anderen Tänzern. Es ist nicht meine ganze Persönlichkeit, ich laufe nicht durch die Gegend uns sage: „Hey ich habe gewonnen!“  Klar, ich bin mega ehrgeizig und möchte auch gewinnen – so ist das nicht – aber es geht mir trotzdem noch um den Spaß. Wenn ich tanze, von der Fläche komme und super zufrieden mit meinem Durchgang war und weiß, ich habe mein Bestes gegeben und hatte Spaß, dann ist es mir fast egal, auf welchem Platz ich lande. Man hofft natürlich, dass man eine gute Platzierung bekommt oder gar gewinnt, aber wenn ich zufrieden bin, ist erst einmal alles geschafft.

Welche Eigenschaft muss man als Tänzer denn haben?

Ganz klar: Durchhaltevermögen. Das ist das Wichtigste. Je früher man anfängt zu tanzen, desto besser. Für Menschen, die erst in meinem Alter mit dem Tanzen anfangen, ist es schwierig mitzuhalten, weil es eben viel ist. Tanzen ist viel. Es gibt einige Dinge, auf die man achten muss. Menschen, die später starten, müssen einfach deutlich mehr machen, als Personen, die bereits früh angefangen haben. Die Branche kann manchmal sehr hart sein. Um erfolgreich zu sein, muss man schon ein dickes Fell haben, viel trainieren, kritikfähig sein, um auch mal etwas wegstecken zu können.

„Wenn ich auf den Turnieren erfolgreich bin, habe ich das auch gerne für mich.“

Hast du ein Lieblingslied, zu dem du gerne tanzt?

Hm, nicht wirklich. Ich habe jedes Jahr eine neue Choreografie und nicht nur eine, sondern mehrere, da ich in verschiedenen Kategorien starte. Aber ein Lieblingslied habe ich nicht.

Ich habe gesehen, dass ihr bei den Wettbewerben viele verschiedene Kostüme anhabt. Sind die alle von dir?

Ja, das sind alles meine eigenen. Die müssen wir auch selbst bezahlen und machen. Als Junge ist es relativ schwer, da es nicht so viel Auswahl gibt, wie bei den Frauen. In letzter Zeit haben wir Kostüme maßschneidern lassen, das ist aber kostspielig.
Beim Modern ist es etwas einfacher, da man vom Stil normalerer Kleidung anziehen kann. Das geht beim Jazz nicht. Da ist viel mit Glitzer, Bling Bling und Extravaganz.

… also gehe ich mal davon aus, dass du einen großen Kleiderschrank hast?

(lacht) Es geht. Vieles passt inzwischen nicht mehr und die Kleidung geht durch die starke Beanspruchung recht schnell kaputt. Da herrscht ein hoher Verschleiß.

Was ist dir noch wichtig? Welchen Erfolg möchtest du noch erzielen?
Es wäre cool in der Erwachsenenkategorie einen Weltmeister- oder Europameistertitel zu schaffen.  Da werde ich natürlich mein Bestes geben. Noch weiß ich noch nicht genau, was möglich ist, da es ja mein erstes Jahr in der Erwachsenenkategorie ist. Sonst habe ich schon so viel erreicht und bin in den vergangenen Jahren so zufrieden mit meiner Leistung, dass ich sagen muss, dass es mir nur noch darum geht Spaß zu haben. Und dass Tanzen noch olympisch wird – das wäre ein Traum. Und es wäre schön, wenn der Tanzsport noch mehr Aufmerksamkeit bekommen würde und natürlich mehr Unterstützung durch Sponsoren.

Toptalent Christian Weiß

Jahrgang 2006

Sportart: Jazz, Modern Contemporary

Verein: 1. Voerder Tanzsportclub Rot-Weiß 1987

Trainerin: Ljalja Horn Ivanisenko

Größte Erfolge: Deutscher Meister Solo Modern und Jazz Dance (7 x in Folge), Europameister 2021 und 2022 im Solo Modern & Contemporary Dance, Europameister 2021 und 2022 im Solo Jazz Dance, Weltmeister 2021 und 2021 im Solo Modern & Contemporarry Dance, Weltmeister 2022 und 2021 im Solo Jazz Dance, Weltmeister 2022 im Duo Jazz Dance & Bronze im Duo Modern & Contemporary Dance