23. Mai 2023

Autonom fahren: Können wir der Technik vertrauen?

Selbstfahrende Züge und Autos, Passagier-Flugzeuge ohne Pilotinnen oder Piloten, Roboter im OP-Saal: Was früher nach Science-Fiction klang, wird durch Künstliche Intelligenz und Algorithmen mehr und mehr zu unserer Realität. Doch viele Menschen misstrauen der modernen Technik. Wie lässt sich Vertrauen schaffen?

Einsteigen, hinsetzen, entspannt zurücklehnen und los geht es. Im Auto der Zukunft sitzt kein Mensch mehr am Steuer. Stattdessen lenkt eine intelligente Software durch den Straßenverkehr. Weltweit arbeiten Automobilkonzerne am autonomen Fahren, und der Wettbewerb um die beste Technologie ist längst entbrannt. Doch viele Menschen fühlen sich bei dem Gedanken unwohl, nicht mehr die Kontrolle über das Auto zu haben und ihr Leben in die Hand von digitalen Systemen zu legen. Sie fürchten um ihre Sicherheit und haben Angst vor Hackerangriffen. Nur 24 Prozent der Deutschen vertrauen auf autonomes Fahren, während 40 Prozent der Technik misstrauen. Ein Drittel würde die Kontrolle über das Auto nur zum Ein- und Ausparken abgeben. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage aus dem Jahr 2021.

Die ersten Schritte sind längst getan

„Wir haben oft Angst vor Dingen, die wir nicht gut kennen, vor Neuem“, erklärt die KI-Expertin Kenza Ait Si Abbou in einem Interview mit dem Magazin „Emotion“. Fest steht: Je weniger Angst wir haben, desto eher sind wir bereit, neue Technologien zu akzeptieren und ihnen zu vertrauen. In vielen Fahrzeugen sind digitale Helfer bereits Standard und die ersten Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren längst getan.

Fahrerassistenzsysteme regeln den Abstand, halten die vorgegebene Geschwindigkeit ein, folgen der Spur oder überholen automatisch auf der Autobahn. Tests auf den Straßen laufen dafür bereits. Irgendwann soll die Technik den Menschen nicht mehr unterstützen, sondern ihn am Steuer ersetzen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, auch in Sachen Akzeptanz. Eine Studie der Prognos AG im Auftrag des ADAC kommt zu dem Schluss, dass im Jahr 2050 vermutlich nur jeder fünfte Kilometer in einem fahrerlosen Auto zurückgelegt wird.

Wir müssen einen Nutzen in der Technik erkennen

Der Schweizer Verkehrspsychologe Uwe Ewert ist davon überzeugt, dass wir uns erst daran gewöhnen müssen, dass Autos autonom fahren. Und das brauche Zeit, berichtete er dem Schweizer Newsportal „Blick“: „Wenn wir dem Auto die Kontrolle geben, haben wir zu Beginn noch Zweifel, ob es funktioniert und sind sehr aufmerksam. Wenn wir aber stundenlang ohne Probleme fahren, gewöhnen wir uns an das System und vertrauen ihm zunehmend.“ Und seien bereit, immer mehr Verantwortung abzugeben. Das falle uns leichter, wenn wir einen Nutzen darin erkennen würden, so Ewert. Beim autonomen Fahren wäre der Vorteil, dass wir uns nicht mehr auf den Verkehr konzentrieren müssen, sondern während der Fahrt lesen, arbeiten, schlafen oder einen Film schauen können.

Positive Erlebnisse und Erfahrungen spielen also eine wichtige Rolle, um Vertrauen in die Technik zu gewinnen. Und diese wiederum muss sich unser Vertrauen erarbeiten. „Deshalb ist es nötig, dass autonom fahrende Taxis in Pilotstädten eingesetzt werden. So können die Menschen erleben, wie gut diese Technologie schon heute funktioniert, und Vertrauen fassen“, schlägt der Mobilitätsforscher Andreas Herrmann in einem Interview in den Stuttgarten Nachrichten vor. In Fahrsimulatoren hat er herausgefunden, dass Menschen regelmäßig ihre Fähigkeit beim Autofahren überschätzen. Und sie sind ziemlich nachsichtig gegenüber anderen Menschen am Steuer, die Fehler machen. „Menschen verzeihen wir. Maschinen verzeihen wir nicht“, sagt Andreas Herrmann.

Über 90 Prozent der Unfälle auf unseren Straßen geschehen, weil Menschen einen Fehler gemacht haben. High-Tech im Auto kann menschliches Fehlverhalten jedoch korrigieren. Fahrerassistenzsysteme haben bereits entscheidend dazu beigetragen, dass die Zahl der Unfälle gesunken und der Straßenverkehr sicherer geworden ist. Autonome Fahrzeuge könnten die Zahl vor allem tödlicher Unfälle deutlich reduzieren, erklären die Befürworter. Seit Juli 2022 gilt deshalb eine EU-Verordnung, die verschiedene Fahrerassistenzsysteme sogar zur Pflicht macht. Sie müssen in allen Neuwagen verbaut werden.

Hohe Skepsis beim Thema autonomes Fliegen

Noch größer ist die Skepsis, sich in ein unbemanntes Flugzeug zu setzen. Autonomes Fliegen? Nicht mit uns, sagt die Mehrheit der Deutschen. Nur acht Prozent können sich vorstellen, mit einer Maschine zu fliegen, die nur vom Boden aus mit einem Computer gesteuert wird. Das zeigt eine Studie vom Bitkom aus dem Jahr 2019. Die Gegner des autonomen Fliegens sind der Meinung, dass keine Software eine erfahrene Pilotin oder einen erfahrenen Piloten ersetzen kann. Dagegen haben die Befürworter großes Vertrauen in die Technik. Als größten Vorteil sehen sie an, dass menschliches Versagen dadurch ausgeschlossen wird. „Technisch ist ein autonom fliegendes Flugzeug bereits machbar. Flugzeuge fliegen auch heute schon hochsicher mit Autopilot. Der Pilot hat dabei die Aufgabe alle Abläufe zu überwachen,“ erklärt Dr. Christopher Meinecke, Leiter Digitale Transformation beim Bitkom. Es ist also wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der Pilot für diese Aufgabe irgendwann nicht mehr ins Flugzeug einsteigen wird.

Technik ist überall in unserem Alltag

Häufig ist uns auch gar nicht bewusst, wie viel Technik und künstliche Intelligenz (KI) bereits in unserem Alltag zu finden ist. Bei der Jobsuche, im Gesundheitswesen, wenn wir uns über einen Lieferdienst eine Pizza bestellen oder einen Fahrrad- und Carsharing-Dienst nutzen. In Nürnberg ging bereits 2008 Deutschlands erste fahrerlose U-Bahn in Betrieb. Unsere Handys können Sprache erkennen und zu Hause nutzen wir ganz selbstverständlich digitale Assistenten. Wir bitten Alexa, für uns den Fernseher einzuschalten, das Licht zu dimmen oder einen Tisch im Restaurant zu bestellen. Warum tun wir das? „Weil es bequem ist. Bequem ist die kleine Schwester von faul, und diese Bequemlichkeit hat zur Folge, dass wir überall von Technik umgeben sind“, schreibt die Managerin und Expertin für Künstliche Intelligenz und Robotik, Kenza Ait Si Abbou, in ihrem Buch „Keine P@nik, ist nur Technik“. Und selbst dort, wo wir glauben, unersetzlich zu sein, wird KI genutzt, zum Beispiel beim Schreiben von Texten. Das alles stellen wir nicht mehr infrage. Und vielleicht werden wir irgendwann auch froh sein, wenn ein Computer am Steuer sitzt und nicht ein Mensch, der Fehler machen kann.